Wirtschaftspolitik: Heute stellte die EU-Kommission ihre Reform- und Sparempfehlungen vor, zentraler Inhalt dieser Empfehlungen sind jedoch Erleichterungen für die gescholtenen Krisenländer allen voran Frankreich  und Italien. So soll Frankreich mehr Zeit erhalten um unter die EU-Haushaltsdefizitgrenze von max. 3 % des BIP (Brutto-Inlands-Produkt) zu kommen. Italien soll aus dem EU-Defizitverfahren entlassen werden, damit Italien nicht noch zusätzliche Belastungen durch EU-Strafen tragen muss. Gleiches gilt für die nicht EU-Länder Ungarn, Lettland, Rumänien und Litauen. Mehrere Euroländer unter ihnen Spanien und Frankreich sollen nach dem Willen der EU-Kommission, aufgrund der prekären Wirtschaftslage (Massenarbeitslosigkeit, Rezession), ebenfalls mehr Zeit zum Sparen bekommen. Von dem beschriebenen Zeitaufschub profitieren u.a. auch die Länder Polen, Spanien, Niederlande, Portugal und Slowenien.

UnbenanntAm Beispiel der EU-Empfehlungen für Frankreich wird deutlich, wie dramatisch die Situation in Europa ist. So fordert die EU die Regierung in Paris auf, noch in diesem Jahr, das Rentensystem zu reformieren um die defizitäre staatliche Pensionskasse zu sanieren. Ziel der EU-Kommission ist, dass die französische Pensionskasse bis 2020 einen finanziell ausgeglichenen „Haushalt“ vorweisen kann. Darüber hinaus, empfiehlt die Kommission der zweitgrößten Volkswirtschaft der EU Maßnahmen zur Förderung der Wirtschaft. Konkret wird Frankreich empfohlen sein Steuersystem zu vereinfachen, die Wettbewerbsfähigkeit des Dienstleistungssektors zu erhöhen, sowie die Exportfähigkeit seiner Unternehmen zu stärken und gegen die hohe Jugendarbeitslosigkeit vorzugehen.

Rechtlich „bindend“ werden die Empfehlungen der Kommission erst mit Annahme durch die EU-Finanzminister, welche nach den Beratungen der Staats- und Regierungschefs im Juni erfolgen soll. Ausgenommen von den Beratungen bzw. Beurteilungen sind Länder wie Griechenland, Irland und Zypern, da diese bereits Gelder aus dem EU-Rettungsfonds beziehen und somit untere strengerer Beobachtung stehen.

Die beschriebenen Vorschläge der EU-Kommission zeigen nicht nur wie schwierig die aktuelle Situation der EU ist, sie dokumentieren auch die Ratlosigkeit der Politik. Deutlich wird dies daran, dass die zweit- und drittgrößten Volkswirtschaften der EU (Frankreich, Italien) – trotz Sparzwang und Reformen- unter massiven wirtschaftlichen Problemen leiden. Mit den neuen Empfehlungen rückt die EU von ihrer bisherigen „Daumenschraubenpolitik“ ab, da sie offensichtlich nicht zum Ziel führt bzw. führte. Trotz alledem,bleiben folgende Fragen offen:

  • Was ist der Grund für die aktuelle wirtschaftliche Situation?
  • Was sind mögliche bzw. die richtigen Lösungsansätze?

BIP_wirtschaftGrund für die Probleme vieler EU-Länder ist das wirtschaftliche Fehlverhalten der Politik selbst, die Globalisierung wirkt in diesem Kontext verstärkend. Jedoch ist sie nicht der Grund für die aktuelle Situation, die Globalisierung hat einzig den Anpassungsdruck auf alle Wirtschaftsteilnehmer (auch Staaten) massiv erhöht. Das jahrelange wirtschaftliche Fehlverhalten dokumentiert bspw. die Politik der Schuldenprolongation, d.h. es werden „alte“ Schulden durch „neue“ ersetzt. Im Ergebnis führte das nicht nur zum verschieben bestehender Probleme, sondern auch zu einem Abbau der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit in Zeiten einer Wirtschaftsflaute. In einer Rezession ist der Staat mit erhöhten Transferleistungen (Arbeitslosengeld, Sozialhilfe) konfrontiert, diese Ausgaben belasten ihn zusätzlich zu den Zinszahlungen für bestehende Kredite. Hinzu kommen weitere Belastungen durch erhöhte Zinsen bei der Neuaufnahme von Krediten. Bezogen auf die EU-Krisenländer heißt das also, sie befinden sich in einem „Teufelskreis“. Auf der einen Seite sollen sie sparen, auf der anderen Seite sollen sie Gelder für Infrastrukturmaßnahmen (wirtschaftliche) bereitstellen.

Der Weg aus dem „Teufelskreis“ führt über die richtige Allokation der Gelder, unnötige Ausgaben wie z.B. Erhaltungssubventionen sind abzubauen um dafür Investitionen in die wirtschaftliche Infrastruktur zu tätigen (z.B. Ausbildung, Weiterbildung, Verkehrsinfrastruktur). Das Ganze funktioniert natürlich nur, wenn der Staat noch wirtschaftlich Handlungsfähig ist und nicht wie in Zypern oder Island auf die Hilfe der Gläubiger angewiesen ist. In solchen Fällen ist oftmals, so traurig es für die Betroffenen ist, ein Staatsbankrott die beste Lösung. Was geschrieben so einfach klingt ist in der Praxis schwer umzusetzen, da eine vernünftige Lösung Zeit und Vertrauen in die wirtschaftlichen Fähigkeiten der Politik. Letzteres hat jedoch in den letzten Jahren (insbesondere in Europa) sehr gelitten und die Menschen trauen der Politik eine Lösung der Probleme nicht zu. Mit anderen Worten die Wirtschaftspolitik muss zunächst verlorenes Vertrauen zurückgewinnen. Dies ist sicher keine Bankrotterklärung für Europa oder den Euro, aber dennoch ein alarmierendes Zeichen.