Neben der Zahlungsmittel- und Austauschfunktion fungieren Währungen auch als Abbilder der Leistung bzw. Leistungsfähigkeit der Wirtschaft von Ländern. In dieser Hinsicht stellt der Euro als Gemeinschaftswährung eine Besonderheit dar, da eine Abbildung diverser, sehr unterschiedlicher Länder gegenüber anderen nationalen Währungen erfolgt. Der Euro als aktuell einzige wirklich internationale Währung eines Staatenbundes wirkt somit in dieser Hinsicht als einzigartig. Eine Abbildung der Wirtschaftskraft der einzelnen Staaten des Euroraumes untereinander kann somit nicht über Währungsverhältnisse erfolgen. Dies kann somit innerhalb der Eurozone nur über die Zinsen erfolgen.
Die Abbildung von Wirtschaftskraft im Vergleich über die Zinsen ist jedoch ebenfalls problematisch, da Zinsen und Wechselkurse von Währungen als natürliche Ergänzungen die wirtschaftliche Stärke von Ländern darstellen. Höhere Zinsen eines Währungsraumes wirken sich im Vergleich mit einer Referenzwährung mit niedrigeren Zinsen derart aus, dass die Währung mit höheren Zinsen im zukünftigen Wechselkurs tendenziell schwächer sein wird. Diese vermutete Entwicklung begründet sich in der Inflationserwartung, die sowohl hinter der Zinsentscheidung der entsprechenden Nationalbank versteckt, als auch in der vergleichenden Geldentwicklung. Hierzu ein Beispiel:
Die Anlage von Betrag X wächst mit 5% in Währung 1.
In Währung 2 wächst der gleiche Betrag Z nur um 1%.
Bei beiden Anlagen ist Betrag Z nach einem Jahr höher als Betrag X.
Geht man jedoch davon aus, dass Zinsen stets das Risiko und die Inflation abbilden, so würde bei identischem Risiko der Wert identisch verbleiben müssen. Folglich sind Betrag Z und Betrag X nach einem Jahr noch immer gleich.
Damit diese beiden Beträge noch immer den identischen Wert haben, muss sich der Wechselkurs entsprechend verändern.
Diese Wechselwirkung von Zinsen und Währungen lässt sich somit stark vereinfacht darstellen. In der Praxis ist ein absolut identisches Risiko nur selten zu finden. Die frühere Sichtweise, Staaten hätten praktisch kein Ausfallrisiko wurde spätestens mit der Argentinien-Krise vor gut einem Jahrzehnt revidiert. Im Zuge der Rating-Veränderungen und dazugehörigen Medienberichten wurde dies in den letzten Jahren auch von der Allgemeinheit wahrgenommen. Eine hohe Wertstabilität einer Währung durch niedrige Zinsen kann also umgekehrt nicht abgeleitet werden. Niedrige Zinsen dienen lediglich als Hinweis für diese Möglichkeit.
Im Euroraum scheint dieser Steuerungsmechanismus durch eine Gemeinschaftswährung verloren gegangen zu sein. Doch wer profitiert wirklich davon? Staaten mit stärkerer Währung erhalten mehr Kaufkraft im Ausland, doch deren Waren verlieren ebenso an Konkurrenzfähigkeit, durch steigende Preise im Export. Durch die vergleichsweise niedrigeren Preise von Produkten aus anderen Ländern sinkt die Exportmengen. Dadurch werden wiederum Preissenkungen oder Umsatzrückgänge ausgelöst. Letztlich wird dadurch Druck auf die Beschäftigungssituation des Landes mit der stärkeren Währung ausgeübt. Diese Zusammenhänge lassen die künstliche Schwäche mancher Währungen, beispielsweise des chinesischen Yuan, in einem anderen Licht erscheinen, als es zumeist in den Medien erscheint. Selbstverständlich bedeutet die künstliche Schwäche einer Währung die Selbstausbeutung eines Landes bzw. der Arbeitskraft dessen. Dennoch wirkt diese Form des Verdrängungswettbewerbs langfristig in machtpolitischer Hinsicht. Somit wirkt der Aufstieg Chinas zur größten Wirtschaftsmacht wohl kalkuliert und auf Kosten des kurzfristigen Wohlstandes der eigenen Bevölkerung aufgebaut. Langfristig kann sich daraus jedoch eine partielle Monopolstellung entwickeln, mit den dazugehörigen Vorteilen.
Bildet man diese eindeutige Situation nun auf das Verhältnis des Euro zum Dollar ab, so erscheint die Abschwächung des Euro gegenüber dem Dollar nach den Höchstkursen aus 2008 als langfristig vorteilhaft für die wirtschaftliche Entwicklung im Euroraum. Ist nun ein dauerhaft niedriger Kurs also erstrebenswert? – Die Antwort kann nur lauten: Nein.
Wechselkurse entwickeln sich stets dynamisch und folgen wirtschaftlichen und politischen Veränderungen. Zu diesen Entwicklungen gehört eine moderate Inflation im Rahmen von Wirtschaftswachstum. Mehr dazu in Teil 3 der Serie.